Loch Coruisk ist ein Bergsee am Fuße der Black Cuillins. Einer dieser beiden Cuillins stellt die höchste Erhebung auf der Insel Skye dar. Loch Coruisk kann man unkompliziert nur auf einem Weg erreichen: Mit einem der beiden Boote, die zwischen Elgon und dem Anleger vor dem Loch Coruisk verkehren.
Da wir an einem Sonntag rüber zum Loch Coruisk wollten, hatte ich die Tickets für die Überfahrt vorher reserviert. Unser Plan war, das Loch Coruisk zu Fuß komplett zu umrunden. Reine Wanderzeit: mindestens 3,5 Stunden. Rechnet man noch ein Stunde an Pausen und Foto-Unterbrechungen dazu, benötigt man für dieses Vorhaben ein Ticket, welches einem zwischen Anlandung und Rückfahrt mindestens 5 Stunden lässt. So eines hatte ich gebucht.
Als wir am Pier in Elgol ankamen, erklärt uns das Team von „Bella Jane Boat Trips“: Wegen der Sturmwarnung für den Nachmittag ist die späteste Rückfahrt bereits um 14:45 Uhr. Das bedeutet: Nur gute drei Stunden am Loch Coruisk. Puh, ob die Zeit reicht für eine Umrundung des Lochs? Ich fragte einen Mitarbeiter der Crew und bekam als Antwort: „Hmmm, perhaps, if you are fast“. Dann gab er uns den Tipp, im Uhrzeigersinn zu laufen, das die Felsplatteaus im prognostizierten Regen „slippery“ werden würden.
„Na, der wird das wohl überdramatisieren“ dachte ich mir. Schließlich wird ihm doch das Wohl der Touristen am Herz liegen. Also entschlossen wir uns, zunächst bis zu äußersten Ende von Loch Coruisk zu laufen und dort die Zeit im Auge zu behalten, um dort zu entscheiden, ob wir weiter laufen oder umkehren.
Nach etwa anderthalb Stunden über Stock und Stein (viele große Steinplatten auf der linken Seite des Lochs), erreichten wir das Ende des Sees. In der Zwischenzeit hatte die Windstärke deutlich zugelegt. Die Böhen brachten uns gelegentlich aus dem Gleichgewicht.
Was tun? Umkehren und denselben Weg zurück gehen? Oder auf der rechten Seeseite zurück laufen? Die sah einfacher aus, weil aus der Ferne weniger Steine zu sehen waren. Wir entschieden uns für den Rückweg auf der rechten Seeseite.
Ein fataler Fehler, wie sich heraus stellen sollte. Der Weg rechts war viel schwieriger als links. Viele morastige Stellen und rutschige Steine lagen im Weg. Immer wieder musste man quer laufen, um unpassierbare Stellen zu umgehen.
Die Strecke rund um den Loch Coruisk darf man sich nicht vorstellen, wie eine ausgeschilderte Wanderstecke in den österreichischen Alpen. Es geht über Stock und Stein. Den größten Teil der Wanderung verbringt man damit, mögliche Routen um Hindernisse herum zu suchen. Einen offiziellen Pfad oder Routenhinweise gibt es nicht. Auf der rechten Seeseite kreuzen zudem zwei Bäche den Weg. Der erste ist kaum trockenen Fußes passierbar. Auch wir sanken tief ein und wanderten mit nassen Füßen weiter.
Was wir unterschätzt hatten: Die Strecke auf der rechten Seite des Loch Coruisk war länger als die linke. Die Uhr tickte. Klar war: Wenn wir bis 14:45 Uhr nicht am Anleger sind, wird die „Bella Jane“ ohne uns fahren und wir werden eine kalte schottische Nacht mit Wind und Wetter unter freiem Himmel vor uns haben. Oder der Anruf bei den Helikopterpiloten mit dem teuerstmöglichen Rücktransport. Das trieb uns an. So sehr, dass uns zwischenzeitlich die Füße weg sackten. Auch die Aufmerksamkeit ließ nach. Ich setzte den rechten Fuß in ein tiefes Morastloch, in dem ich bis zum Unterschenkel versank. Weiterlaufen mit Matsch um Wanderschuh – das erhöhte den Schwierigkeitsgrad noch einmal. Und es setzte Adrenalin frei.
10 Minuten vor Ablauf der Zeit schwanden die Kräfte. Als wir den Hügel überquerten, der vom Loch aus den Blick auf das Meer versperrt, konnten wir aus der Ferne sehen, dass die Bella Jane bereits den Anleger ansteuerte. Jetzt hieß es: Laufen! Noch ein Fluss, der zu überqueren war. Ich stolperte, rutschte aus, fiel ins Wasser. Die Kamera schlug hart auf einem Stein auf. Aber Glück gehabt: Nur mein rechtes Bein war nass (das war ohnehin voll Matsch) und bei der Kamera hatte die Gegenlichtblende den ganzen Schaden abgefangen und sich geopfert.
5 Minuten vor Abfahrtzeit erreichten wir den Anleger. Ein vierköpfige Gruppe, die unterwegs umgekehrt war und die mitbekommen hatte, dass wir weiter wandern wollen, empfing uns mit Beifall. „Good time!“ meinte ein Franzose. Recht hat er. Wir hatten die Lochumrundung in knapp unter 3 Stunden gemacht. Inklusive 10 Minuten Pause und einiger Fotos, wie dieser Beitrag beweist.
Falls jemand eine Schottlandreise plant und sich fragt, wie viel Zeit man im Mai für die Umwanderung des Loch Coruisk benötigt: Mindestens 3,5 Stunden (ohne Pausen). Festes Schuhwerk ist unbedingt notwendig und Trittsicherheit unabdingbar. Man muss mit ausgesetzten oder völlig fehlenden Wanderwegen klar kommen und bereit sein, einen Fluss zu durchqueren und dabei nicht trockenen Fußes auf der anderen Seite anzukommen.
Was für ein Abenteuer!
Aber das ist es doch am Ende solcher Tage, was sie noch lange in Erinnerung hält.
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