Gestern noch habe ich mich auf unser großes Edinburgh-Finale gefreut. Gemeint war ein ausgiebiger Bummel über die Royal Mile. Heute sehe ich das anders: Die Edinburgh-Highlights haben wir bereits gestern erlebt (New Town & Dean Village), heute folgte der Edinburgh-Tiefpunkt.
Die Royal Mile ist Etikettenschwindel, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Das geht schon damit los, dass sie gar keine Meile lang ist. Gemeint ist nämlich nicht die englische Landmeile, sondern die alte schottische Meile. Die ist länger, das hätte mich jedoch nicht gestört.
Viel dramatischer war der Eindruck, den diese Meile hinterließ. Zwar wird sie gesäumt von wunderschönen alten Gebäuden, sie ist jedoch auch auf jedem Fuß ihrer Länge begleitet von Touristennepp in jeder nur erdenklichen Form.
Ich bin es gewohnt, in europäischen Metropolen mit touristischem Anspruch auch auf die typischen Touristenshops zu treffen. Was sich an der Royal Mile jedoch zueinander gesellt, ist extrem. Ein Schottenrockshop nach dem nächsten. Dutzende Museen und Ausstellungen, die allesamt nur Verkaufsräume für irgendwelchen überteuerten Krempel sind. Viele Straßenkünstler, die sich um das Kleingeld der Touristen schlagen, indem sie Unfug liefern. Vom Dudelsackspieler über Gevatter Tod, über eine schafwollespinnenden Punk bis hin zu Yoda: Alles ist dabei. Schrecklich.
All das wird von den vielen japanischen Touristen scheinbar für das echte schottische Leben gehalten. Sie laufen selfiproduzierend durch die Straßen und posieren vor jedem Unfug. Die Ärmsten wissen es nicht besser…
(Japaner seien hier nur stellvertretend angeführt. Auch andere Nationalitäten waren auffällig interessiert an Selfies mit Plüsch-Highlandbullen)
In Edinburghs Royal Mile wird ein Schottland gezeigt, wie es sich Touristen vorstellen, wie es jedoch mit Schottland nichts zu tun hat. Wer nur wenig Zeit in Edinburghs hat, sollte die Royal Mile unbedingt meiden und sich die vielen schönen Orte der Stadt anschauen.
Entlang der Prunkstraße in der Old Town gab es jedoch auch zwei Highlights, die ich nicht verschweigen möchte.
Unbedingt empfehlen kann man The Real Mary King’s Close. Dieser Straßenzug im Untergeschoss von Edinburgh wurde erst vor einigen Jahren restauriert und für Touristen freigegeben. Es gibt mehrfach pro Stunde Touren durch die alte, in weiten Teilen original erhalten gebliebene Mary King’s Close. Das ist eine Gasse aus dem Mittelalter. Star der Tour ist aber weniger der Straßenzug, besonders eindrucksvoll war der Guide, der mit großem schauspielerischem Talent die Geschichte der Altstadt vom Edinburgh der Vergangenheit erzählte. So eindrucksvoll, dass ich den deutschen Audioguide irgendwann aus der Hand legte und dem Guide gebannt an den Lippen zu hängen. Fotografieren ist in The Real Mary King’s Close leider nicht erlaubt, deshalb kann ich hier keine Bilder zeigen.
Auch positiv zu erwähnen ist St. Giles‘ Cathedral. Diese alte Kirche kann man kostenlos besichtigen, wer fotografieren möchte, wird um 2 Pfund gebeten. Das Gotteshaus strahlt eine besondere Stimmung aus. Das mag an seiner Decke liegen, die in sehr warmen Tönen gestaltet und beleuchtet ist.
Eindruck hinterlässt auch die seitliche Thistle Chapel innerhalb von St. Giles mit unendlich feinen Wand- und Deckenverzierungen. Dort kann man eine Zeitlang nur mit der Betrachtung der Details verbringen. Ein Guide ist meist vor Ort und beantwortet auch Fragen.
Weitere Bilder der Royal Mile – auch ein paar Schöne: